Jetzt ham wa den Salat!

Satirische Texte und Lieder von und mit Wolfgang Reuter


Neues vom Flaschenteufelchen
Herr Michel begegnete einst einem freundlich lächelnden Herrn im Rollstuhl, der ihn beschwörend beiseite winkte. In der Annahme, dem behinderten Herrn behilflich sein zu sollen, folgte er ihm in eine dunkle Häusernische. Dort zeigte der ihm eine gar wundersame Flasche, in der ein kleines Teufelchen tanzte.

„Ich verkaufe sie dir für nur wenig Geld – ein Euro mag genügen!“, erklärte der freundliche Herr mit diabolischem Grinsen. „Da drin steckt der Teufel, aber er kann dir jeden Wunsch erfüllen. Du musst nur danach die Flasche billiger weiter verkaufen; denn den letzten Flaschenbesitzer holt der Teufel!“

„Jeden Wunsch erfüllen?“, jubelte Herr Michel, „das ist ja die reinste Kreditkarte!“

Er kaufte die Flasche für den verlangten Euro ab; denn er kannte die Flaschenteufel-Geschichte von Robert Louis Stevenson doch schon aus seiner Kindheit und würde deshalb nicht darauf hereinfallen. Dann schloss er die Flasche in seinen Panzerschrank und machte sich ein wunderschönes Leben, ließ sich alles herbeizaubern, was sein Herz begehrte. Für 2 Billionen Euro Schulden bastelte er sich ein reiches Deutschland, dem es an fast nichts mangelte.

Als er nun die Zeit für gekommen hielt, die Flasche wieder zu verkaufen, besah er sich das tanzende Teufelchen näher und bemerkte, dass es ein T-Shirt trug mit der Aufschrift „Staatsanleihen Griechenland“. Da bekam Herr Michel einen mächtigen Schrecken. Schnell versuchte er, die Flasche irgendwie zu verkaufen – an Herrn Strauß-Kahn (der kaufte keine Flaschen – nur Zimmermädchen), an Herrn Ackermann (der war gerade unabkömmlich beim Kanzlerin-Bankett) oder an einen Stadtstreicher (die nehmen nur gefüllte Wodka-Flaschen). Niemand in der großen weiten Welt wollte auch nur einen Cent für griechische Staatsanleihen ausgeben. Und so sollte es Herrn Michel einfach nicht gelingen, die tückische Flasche zu veräußern. Er vergrub sie schließlich verzweifelt in seinem Garten, stellte einen Stuhl darüber und setzte sich darauf - vertieft in trübe Gedanken. Da sitzt er noch heute.

Und wenn dem deutschen Michel nichts Neues einfällt, bleibt er auf den griechischen Staatsanleihen sitzen.
Wolfgang Reuter, 10.07.2011
zurück