Satirische Texte und Lieder von und mit Wolfgang Reuter
Vor vielen, vielen Jahren saß
ein Holzwurm tief im Holz und fraß. Seht, wie er's Maul sich leckte! Das schmeckte! Er lebte gut, doch sehr allein. Da fiel ihm ein Verwandter ein, ein Wurm mit Lieblingsspeisen aus Eisen. Schon kroch er los im Holzwurmschritt, nahm noch die schönste Schraube mit, die schenkt er beim Besuchen statt Kuchen. „Mein lieber Eisenwurm“, so sprach der Holzwurm, „komm doch mit und mach mal Ferien vom Eisen! Wir reisen!“ Der Eisenwurm die Schraube griff, dann schlichen beide auf ein Schiff. Sie konnten sich in Ecken verstecken. Das Schiff schwamm los, das war doch was! Der Eisenwurm die Schraube fraß. Der Holzwurm fand indessen kein Fressen. Er sprach zum Eisenwurm: „Ich seh so schönes Holz in meiner Näh'. Ich muss, knurrt mir der Magen, was nagen.“ So nagten beide Würmer dann vom großen Schiff die Bordwand an. Ihr ahnt was, doch kommt's immer noch schlimmer. Ein letzter Biss der Würmer noch – da war's geschehen: Loch an Loch! Es wurde nass und nasser vom Wasser. Das Schiff war leck, es trank und trank, bis dass es schließlich ganz versank. Wenn's doch so feucht nicht wäre im Meere! Der Holzwurm, vollgestopft mit Holz, schwamm gut, weil Holz ja schwimmt, und stolz rief er mit froher Stimme: „Ich schwimme!“ Doch unser Eisenwurm, oh weh, sank in die eisig kalte See. Dort liegt er, tief gefrostet, und rostet. Seit diesem Unglück – lang ist's her – gibt's keine Eisenwürmer mehr, nicht mal 'ne Eisenmade – wie schade! |
Wolfgang Reuter |
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